Infoplattform für Brandschutz

Photovoltaik an Fassaden

Für Aussenwandkonstruktionen mit Photovoltaikelementen gibt es noch keine gesetzliche Grundlage, kein Stand-der-Technik-Papier und keine VKF-anerkannte Konstruktionen. Damit PV-Fassaden bewilligt werden können, müssen die Vorschriften für brennbare hinterlüftete Fassaden erfüllt sein und bei Gebäuden mittlerer Höhe ist ein Nachweisverfahren erforderlich. Ein Austausch mit der zuständigen Brandschutzbehörde bereits in einem frühen Stadium der Planung wird empfohlen.

Aufbau einer PV-Fassade

Die primäre Unterkonstruktion wird auf die Aussenwand befestigt. Ab der primären Unterkonstruktion wird ein an die PV-Module angepasstes mechanisches Montagesystem verwendet.

Damit eine PV-Fassade bewilligungsfähig ist, muss das Aussenwandbekleidungssystem (ohne das PV-Modul) entweder:

  •  aus Baustoffen RF1 bestehen oder
  •  Aussenwand (C) und Wärmedämmschicht, Zwischenschicht (2) müssen gemäss Lignum-Dokumentation «7.1 Aussenwände – Konstruktion und Bekleidung», Ziff. 2.4.3 ausgeführt sein

Anforderungen an die Unterkonstruktion

  • Wenn die PV-Module auf die Montagekonstruktion geklebt sind, wird eine mechanische Sicherung benötigt
  • Lineare Unterkonstruktionen müssen bei Gebäuden mittlerer Höhe aus Baustoffen RF1 bestehen
  • Punktuelle Befestigungen/Rückverankerungen innerhalb der Wärmedämmung RF3 (cr) sind zulässig
  • Die Hinterlüftungsebene zwischen Aussenwand resp. Wärmedämmung und den Photovoltaikmodulen muss zwischen 40 mm und 100 mm tief sein. Lokal kann der Lüftungsquerschnitt um maximal 50% reduziert werden (z. B. durch Insektenschutzgitter oder Lüftungsöffnungen). Die Herstellerangaben der Photovoltaikmodule sind zu berücksichtigen.

Nachweisverfahren anhand Systemkategorie

PV-Fassaden werden in Systemkategorien eingeteilt.

  • Systemkategorie 0: kein Nachweisverfahren erforderlich
  • Systemkategorie 1: Nachweisverfahren mit argumentativen Nachweisen möglich
  • Systemkategorie 2: Nachweisverfahren nur mit Nachweisen mittels Brandversuchen

Teilflächen eines Gebäudes können aufgrund ihrer Beschaffenheit unterschiedlichen Systemkategorien zugeordnet werden. In diesem Fall müssen die Teilflächen separat und in Kombination beurteilt werden.

Gebäude mit geringen Abmessungen und Gebäude geringer Höhe
Diese Gebäude fallen in die Systemkategorie 0. PV-Fassaden können ohne Nachweisverfahren bewilligt werden, wenn obige Anforderungen an die Aussenwandkonstruktion und die technischen Schutzmassnahmen (siehe unten) erfüllt sind.

Gebäude mittlerer Höhe
Diese Gebäude fallen in Systemkategorie 1 oder 2.

Tabellarische Übersicht über Systemkategorien

  Systemkategorie 0
(kein Nachweis)
Systemkategorie 1
(argumentativer Nachweis)
Systemkategorie 2
(Brandversuche)
Gebäudekategorie geringe Höhe mittlere Höhe mittlere Höhe
QSS für PV-Fassade 1 3 (QSS 2 möglich in
Absprache mit Behörde)
3
Brandschutzkonzept nicht erforderlich keine relevanten
Abweichungen
keine relevanten Abweichungen
Aussenwand RF1/Lignum RF1/Lignum wenn eine
Anforderung
gemäss
Systemkategorie 1
nicht erfüllt ist
Unterkonstruktion RF3 möglich RF1
PV-Module RF3(cr) möglich mind. RF2
Modulaufbau (ungerahmt) Glas-Folie möglich Glas-Glas, 2x4mm
Horizontale BS-Massnahmen nicht erforderlich geschossweise
Kabelführung beachten ja ja
Wechselrichter in Hinterlüftung ja nein

Ist ein Nachweisverfahren erforderlich, fällt das Objekt unter die Qualitätssicherungsstufe (QSS) 3. Bei Systemkategorie 1 ist es in Absprache mit der Brandschutzbehörde möglich, das Objekt in die QSS 2 einzuteilen.

Systemkategorie 1

Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit ein Gebäude der Systemkategorie 1 zugewiesen werden kann:

  • Die Aussenwand ist gemäss der Skizze «Aufbau einer PV-Fassade» (oben) ausgeführt
  • Geschossweise sind horizontale Brandschutzmassnahmen (siehe unten) gegen eine vertikale Brandausbreitung in der Hinterlüftungsebene und bei der Kabelführung umgesetzt
  • Das Brandschutzkonzept des Gebäudes weist keine relevanten Abweichungen von den aktuellen VKF-Brandschutzvorschriften auf.
  • Die PV-Module haben einen Glas-Glas-Aufbau von min. 2 x 4 mm und weisen eine Klassifizierung von mindestens B-s3,d1 gemäss SN EN 13501-1 auf

Die Glasstärke des Glas-Glas-Aufbaus kann auf minimal 2 x 1.6 mm reduziert werden, wenn die Kante des PV-Moduls von einem Material RF1 mit einer Stärke ≥ 1.5 mm umfasst (gerahmt) ist. Eine Klassifizierung von min. B-s3,d1 gemäss SN EN 13501-1 ist nachzuweisen.

  • Die technischen Schutzmassnahmen der PV-Anlage sind gemäss Kapitel «Technische Schutzmassnahmen» (siehe unten) ausgeführt.
  • Es werden keine Modulwechselrichter und Optimierer in der Hinterlüftungsebene verbaut.

Die Anlage ist genehmigungsfähig, wenn der Nachweisbericht die Schutzziele und die Massnahmen zu deren Einhaltung vollständig, plausibel und nachvollziehbar beschreibt.

 

Erleichterungen gelten in folgenden Fällen:

  • Gebäude mit Löschanlagenkonzept oder mit einer Aussenwand mit Feuerwiderstand (inkl. Fenster): Horizontale Brandschutzmassnahmen gemäss «Bauliche Schutzmassnahmen» (unten) müssen nur bei jedem zweiten Geschoss umgesetzt werden. Details sind im Nachweisbericht zu erläutern.
  • Aussenwand mit Feuerwiderstand (inkl. Fenster): Die Photovoltaikmodule können einen Glas-Folien-Aufbau mit einer Klassifizierung RF2 (cr) haben.

Systemkategorie 2

Anlagen, die einzelne Anforderungen der Systemkategorie 1 nicht erfüllen (z. B. Abweichungen von den baulichen und technischen Lösungsvorschlägen) oder alternative Konzepte verfolgen, fallen in Systemkategorie 2. 

Die Photovoltaikanlage ist genehmigungsfähig, wenn:

  • das Brandschutzkonzept des Gebäudes keine relevanten Abweichungen von den aktuellen Brandschutzvorschriften aufweist
  • die Aussenwand gemäss der Skizze «Aufbau einer PV-Fassade» (oben) ausgeführt ist
  • mit Brandversuchen nachgewiesen wird, dass die Schutzziele erfüllt sind und
  • der Nachweisbericht die Schutzziele und die Massnahmen zu deren Einhaltung vollständig, plausibel und nachvollziehbar beschreibt.

Nachweisverfahren bei PV-Fassaden

Das Nachweisverfahren muss von einer VKF-anerkannten Fachperson gemäss der jeweiligen QS-Stufe geführt werden. Eigentümerschaft, das PV-Planungsunternehmen, das Fassadenplanungsunternehmen, der QS-Verantwortliche Brandschutz und die Brandschutzbehörde sind in den Nachweisprozess involviert.

Nachweisbericht
Die Randbedingungen des Verfahrens und die Schutzzielkriterien müssen mit der Brandschutzbehörde abgestimmt werden. Damit die Brandschutzbehörden beurteilen kann, ob die Schutzziele gleichwertig erreicht werden, muss ein Nachweisbericht vorliegen. Bei PV-Anlagenprojekten der Systemkategorie 2 müssen zusätzlich die Prüfberichte der Brandversuche eingereicht werden.

Brandversuche
Die Einhaltung der Schutzziele für die Systemkategorie 2 muss mit Brandversuchen nachgewiesen werden. Der Versuchsaufbau und das Prüflabor müssen mit der Brandschutzbehörde abgestimmt werden.  

Technische Schutzmassnahmen

Die Grundlagen für die Installation einzelner Komponenten für die Dokumentationspflicht sind im Stand-der-Technik-Papier «Solarlanlagen» von Swissolar definiert. Für PV-Fassaden gelten folgende zusätzlichen Bestimmungen.

Anschlusskabel und Stecker

DC-Kabel

Norm: SN EN 50618:2014-12 «Kabel und Leitungen – Leitungen für Photovoltaik Systeme»

Anforderungen: 

  • Brandverhaltensgruppe RF3 (cr)
  • halogenfrei
  • brandgehemmt
  • geringe Brandlast: < 0.8 MJ/m

Stecker

Norm: SN EN 62852:2015-03 «Steckverbinder für Gleichspannungsanwendungen in Photovoltaik-Systemen – Sicherheitsanforderungen und Prüfungen»

Anforderungen:

  • Brandverhaltensgruppe RF3 (cr)
  • flammwidrig
  • nur kompatible Stecker vom gleichen Hersteller (NIN)

Horizontale Kabelführung

  • Offene Kabelführung im Hinterlüftungsraum

    • Nicht mehr als 3 Stränge (6 DC-Kabel) parallel geführt
    • Modulverbinder kurz halten
    • Abstand zwischen horizontalen Kabelführungen ≥ 1 m
  • Kabelführung in Material RF1

    • Schutzleiter muss mitgeführt werden
    • Belegung gemäss NIN

Vertikale Kabelführung

  • Zwischen den horizontalen und vertikalen Brandschutzmassnahmen (siehe bauliche Massnahmen bei Gebäuden mittlerer Höhe) dürfen die Kabel frei verlegt werden
  • Baustoffe der Brandverhaltensgruppe RF3 (cr) zur Befestigung zulässig
  • Auf gute Zugentlastung achten
  • Aufteilung in mehrere vertikale Steigzonen reduziert lokales Brandrisiko
  • keine DC-Stecker in der vertikalen Steigzone
  • Öffnungen für den Ein- und Austritt von Kabeln müssen im Durchmesser so klein wie möglich gewählt werden. Es ist auf den Kabelschutz zu achten, wobei Baustoffe mindestens der Brandverhaltensgruppe RF3 (cr) eingesetzt werden dürfen.
  • Offene Kabelführung im Hinterlüftungsraum

    • max. 3 Stränge pro Steigzone
    • DC+ und DC- gemischt möglich
    • min. 3 m Abstand der vertikalen Steigzonen
  • geschlossene Kabelführung im Hinterlüftungsraum

    • Aufteilung auf mehrere Steigzonen zu bevorzugen
    • DC+ und DC- sind ab 3 Strängen sortiert und mit einem Abstand von 10cm zu führen
    • metallischer geschlossener und geerdeter Kanal zur Abschirmung
    • Nagetierschutz vorsehen
  • geschlossene separate Kabelführung

    • Aufteilung auf mehrere Steigzonen zu bevorzugen
    • DC + und DC- sind ab 3 Strängen sortiert und mit einem Abstand von 10 cm zu führen
    • metallischer geschlossener und geerdeter Kanal zur Abschirmung
    • Nagetierschutz vorsehen
  • Kabelführung in Material RF1

    • Schutzleiter muss mitgeführt werden
    • Belegung gemäss NIN

Wechselrichterkonzept

Folgende Anforderungen gelten an das Wechselrichtersystem:

  • Gerätesicherheit: 
    SN EN 62109-1:2010-07 «Sicherheit von Wechselrichtern zur Anwendung in photovoltaischen Energiesystemen – Teil 1: Allgemeine Anforderungen»
    SN EN 62109-2:2011-09 «Sicherheit von Leistungsumrichtern zur Anwendung in photovoltaischen Energiesystemen – Teil 2: Besondere Anforderungen an Wechselrichter»
  • Anforderungen Wechselrichterstandort gemäss Swissolar Stand-der-Technik-Papier «STP zu VKF-Brandschutzmerkblatt Solaranlagen»
  • Einsatz von Wechselrichtern mit Lichtbogendetektoren und automatischer Unterbrechung sind zu bevorzugen

Bauliche Schutzmassnahmen

Für Gebäude mittlerer Höhe sind folgende baulichen Massnahmen zu treffen.

Horizontale Brandschutzmassnahmen

  • Horizontale Brandschutzmassahmen im Hinterlüftungsraum

    Materialien mit den folgenden Eigenschaften können als Brandschutzmassnahme zur Unterbrechung/Unterteilung des Hinterlüftungsraums eingesetzt werden:

    • Baustoffe der Brandverhaltensgruppe RF1
    • Schmelzpunkt ≥ 1'000 °C
    • Materialstärke ≥1.5mm
    • Witterungsbeständig

    Die Abstände sind wie folgt auszulegen:

    • a ≤ 20 mm
    • b ≥ 10 mm

    Anordnungen der horizontalen Brandschutzmassnahme unter- und oberhalb vom Fenster möglich. Vertikale Fugen aus brennbaren Baustoffen dürfen die horizontale Brandschutzmassnahme nicht unterlaufen.

  • Horizontale Unterbrechung Kabelführung

    Geschossübergreifend müssen die Kabelkanäle im Bereich der horizontalen Brandschutzmassnahmen mit Baustoffen RF1 unterteilt werden.

    Die Baustoffe RF1 müssen einen Schmelzpunkt von mindestens 1000 °C und eine Dichte von mindestens 60 kg/m³ aufweisen und in der Stärke mindestens 15 cm betragen.

     

  • Horizontale Fensterbänder/durchgehende Bekleidungsbereiche

    Fensterbänder und/oder durchgehende Aussenwandbekleidungen RF1, welche die Hinterlüftungsebene horizontal unterbrechen, werden ab 1.3 m Höhe als Brandschutzmassnahme zur Einschränkung der Brandausbreitung gewertet, wenn diese mit einer reduzierten horizontalen Brandschutzmassnahme kombiniert werden (die reduzierte Brandschutzmassnahme kann über oder unter Fensterband positioniert werden).

    Dies sind:

    • Baustoffe der Brandverhaltensgruppe RF1
    • Schmelzpunkt ≥ 1000 °C
    • Materialstärke ≥1.5mm
    • Witterungsbeständig

    Eine Auskragung der horizontalen Brandschutzmassnahme ist nicht nötig. Alternativ zu einem Blech kann auch eine Brandschutzmassnahme aus Mineralwolle mit einer Stärke ≥15 cm verwendet werden.

Vertikale Brandschutzmassnahmen

Weist ein Gebäude unterschiedliche Fassadentypen (wie zum Beispiel Lochfassade und geschlossene Fassade) oder unterschiedliche Ausführungen der PV-Fassade aufgrund einer Vereinfachung (Systemkategorie 1) auf, müssen diese unterschiedlichen Bereiche durch vertikale Brandschutzmassnahmen voneinander getrennt sein.  

  • Vertikale Trennung/Abstand Hinterlüftungsraum

    Vertikal durchgehende Bekleidungsbereiche RF1, welche die Hinterlüftungsebene unterteilen, werden ab einer Breite von 150 mm als Brandschutzmassnahme gewertet.

  • Vertikale Unterbrechug Hinterlüftungsraum

    Materialien mit den folgenden Eigenschaften können als Brandschutzmassnahme zur vertikalen Unterbrechung des Hinterlüftungsraums eingesetzt werden:

    • Baustoffe RF1
    • Schmelzpunkt ≥ 1'000 °C
    • Materialstärke ≥1.5mm
    • Witterungsbeständig

    Die Abstände müssen mindestens 10 mm betragen.

     

Betrieb

Wartung und Unterhalt müssen bereits bei der Planung einer PV-Anlage miteinbezogen werden. Fassadenanlagen können vor Ort oder aus der Ferne über ein cloudbasiertes Überwachungssystem kontrolliert werden, welches die Erträge erfasst, Fehlermeldungen registriert und weiterleitet. Mit regelmässigen Kontrollgängen vor Ort wird der Zustand der Anlagen überprüft und bei Bedarf Massnahmen eingeleitet.

 

 

Gebäude geringer Höhe

Gebäude mittlerer Höhe

Überwachung

Empfohlen

Pflicht

Inspektion mindestens

Alle 5 Jahre empfohlen

3 Jahre

 

Das installierende Unternehmen muss der Eigentümerschaft mit der Übergabe der Photovoltaikanlage eine Dokumentation übergeben, die der Norm SN EN 62446-1:2016-04 «Photovoltaik (PV) Systeme - Anforderungen an Prüfung, Dokumentation und Instandhaltung - Teil 1: Netzgekoppelte Systeme - Dokumentation, Inbetriebnahmeprüfung und Prüfanforderungen», entspricht. Diese Dokumentation muss bei den Wechselrichtern, beim AC-Elektrotableau und im Hauptinterventionsweg der Feuerwehr hinterlegt werden.

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