Infoplattform für Brandschutz

Risikobasierter Brandschutz

Risikobasierter Brandschutz orientiert sich an der Wahrscheinlichkeit, mit der ein Brand entsteht und sich ausbreitet, und an den Schäden, die durch den Brand verursacht werden können. Ziel ist, die Risiken ausreichend zu reduzieren – mit Massnahmen, deren Kosten und Nutzen in einem gesunden Verhältnis stehen. Aber Achtung: Risikobasiert darf nicht mit leistungsorientiert verwechselt werden.

Bei 80 % der neu erstellten Gebäude wird der Brandschutz nach dem Standardkonzept – also mit den Massnahmen, die in den Brandschutzvorschriften der VKF beschrieben sind – umgesetzt. Diese finden Sie hier auf der Infoplattform unter ihrer Nutzung und Gebäudehöhe.

Den aktuellen Brandschutzvorschriften liegt ein risikoorientierter Ansatz zugrunde: Beim Festlegen der Anforderungen wurden unterschiedliche Risiken – insbesondere abhängig von der Nutzung und Gebäudehöhe – berücksichtigt. So gelten zum Beispiel für Spitäler strengere Anforderungen als für Einfamilienhäuser. Zudem lassen die Brandschutzvorschriften auch alternative Lösungen mit einem Nachweisverfahren zu. In diesem Fall spricht man von leistungsorientiertem oder risikobasiertem Brandschutz.

 

Risikobasiert versus leistungsorientiert – eine Einordnung

Leistungsorientierter Brandschutz geht von messbaren technischen Anforderungen aus. Es wird festgelegt, was ein System bei einem vordefinierten Brand leisten muss, damit die Schutzziele erfüllt sind. Ein Beispiel: Das Entrauchungssystem muss den Rauch innerhalb von 5 Minuten unter eine bestimmte Konzentration bringen, um die Fluchtwege freizuhalten. Die Leistung des Systems muss nachweisbar sein, z.B. mit Simulationen oder Tests.

Beim risikobasierten Brandschutz wird nicht von der Leistung eines Systems, sondern von den Risiken für Personen und Sachwerte ausgegangen. Ziel dieser Betrachtung ist ein optimales Kosten-Nutzen-Verhältnis: Bei einem hohen Risiko lohnen sich hohe Investitionen in den Brandschutz. Ist das Risiko jedoch gering und auf Sachwerte beschränkt, macht es keinen Sinn, zusätzliche Massnahmen umzusetzen.

Der Aufwand für die Planung und für Ingenieurleistungen ist bei diesen Verfahren grösser als beim Standardkonzept. Im Gegenzug können weniger konservative Vorgaben gemacht werden. Das Standardkonzept verlangt z.B. in einem Gebäude mit einer Fläche von mehr 900 m2 zwei unabhängige vertikale Fluchtwege. Beim leistungsorientierten oder risikobasierten Verfahren können die Fluchtwege auch anders ausgelegt sein, wenn der Nachweis zeigt, dass die Schutzziele damit gleichwertig erfüllt sind.

Ein Beispiel

Eine Tür im Fluchtweg ist 80 cm breit und öffnet gegen die Fluchtrichtung. Nach Standardkonzept müsste sie eine lichte Durchgangsbreite von 90 cm aufweisen und in Fluchtrichtung öffnen. Der Raum ist für eine Belegung mit maximal 20 Personen ausgelegt.

  • Leistungsorientierter Ansatz: Mit einem Rechenverfahren oder einer Simulation wird aufgezeigt, dass die 20 Personen bei einem bestimmten Brandereignis durch eine 80 cm breite Tür genügend schnell flüchten können. Gelingt dies, muss die Tür nicht umgebaut werden.
  • Risikobasierter Ansatz: Es wird abgeschätzt, welches Risiko eine schmalere Tür birgt: Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich alle 20 Personen im Raum aufhalten und sich gleichzeitig ein Brand entwickelt? Wie viel länger dauert es, wenn die Personen durch die schmale Tür flüchten? Ist das Risiko für Personen durch die geringere Ausgangsbreite zu hoch? Welchen Nutzen bringt eine Vergrösserung der Tür?  Zeigen die Antworten auf diese Fragen, dass das Risiko durch die schmalere Tür nicht grösser wird und dass eine Vergrösserung keinen ausreichenden Nutzen bringt, kann die Türe so belassen werden.

Vorgehen bei leistungsorientiertem Brandschutz

Wenn sich die Anforderungen gemäss Standardkonzept nur mit grossem Aufwand oder umfangreichen Eingriffen in das Gebäude umsetzen lassen, können alternative Lösungen umgesetzt werden. Diese müssen das Schutzziel gleichwertig erfüllen wie die Standardmassnahmen.

Um dies zu prüfen, werden messbare Leistungsziele festgelegt. Anschliessend wird mit einem Nachweisverfahren gezeigt, dass das festgelegte Leistungsziel mit der alternativen Lösung erreicht wird. Gängige Nachweisverfahren sind Entrauchungsnachweise, Warmrauchversuche, Realbrandversuche, Tragwerksnachweise und Evakuierungsnachweis.

Wie beim Nachweisverfahren vorzugehen ist, finden Sie im Fachthema «Nachweise».

 

Kreuz Herzogenbuchsee – ein Beispiel für leistungsorientierten Brandschutz

Bei diesem Umbau wird ein Raum im Dachgeschoss für Veranstaltungen mit 150 Personen ausgebaut. Die Brandschutzvorschriften fordern zwei unabhängige Fluchtwege, es ist aber nur ein Treppenhaus vorhanden. Die alternative Lösung sieht einen zweiten Ausgang aus dem Veranstaltungsraum mit einer Treppe bis ins Obergeschoss vor. Dort kommen beide Fluchtwege zusammen, sie sind nicht mehr unabhängig voneinander – was gemäss Standardkonzept nicht erlaubt ist. Das Leistungsziel wird wie folgt festgelegt: 150 Personen müssen innerhalb von 3 Minuten sicher ins Freie gelangen. Mit einer Fluchtwegsimulation wird nachgewiesen, dass dies erfüllt wird.

Detaillierte Informationen zum Beispiel gibt das Video über das Kreuz Herzogenbuchsee.

 

Vorgehen bei risikobasiertem Brandschutz

Beim risikobasierten Brandschutz wird anhand der Risiken abgeschätzt, wie hohe Investitionen in den Brandschutz aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll sind. Ziel ist, ein optimales Verhältnis von Sicherheitsniveau und Kosten zu erreichen. Da die Sicherheit von Personen im Brandschutz Priorität hat, ist dabei immer ein minimales Sicherheitsniveau gefordert.

So werden die Risiken berechnet

Brandrisiken lassen sich in Franken angeben. Sie werden aus der Eintrittswahrscheinlichkeit und der Schadenserwartung berechnet: Risiko = Eintrittswahrscheinlichkeit x Schadenerwartung.

Die Eintrittswahrscheinlichkeit ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Brand entsteht. Sie lässt sich in vielen Fällen anhand von Statistiken angeben. Dazu ein Beispiel: In der Schweiz tritt pro Jahr in einem von 200 Wohnhäusern ein Brand ein. Dabei sind auch kleine Brände mit einem Schaden in der Höhe von 100 bis 1000 Franken eingerechnet. Damit beträgt die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Brandes in einem Wohnhaus 1/200 pro Gebäude und Jahr.
Liegen keine Statistiken vor, muss die Eintrittswahrscheinlichkeit anhand der Gefährdung abgeschätzt werden. Mögliche Gefährdungen sind Zündquellen, explosionsfähige Atmosphären oder Lager mit gefährlichen Stoffen.

Die Schadenserwartung wird anhand folgender Fragen abgeschätzt:

  • Was sind die Folgen eines Brandes?
  • In welche Bereiche würde sich ein Brand ausbreiten? Wie schnell geht das?
  • Wie hoch wäre der finanzielle Schaden?

Der Schaden an Sachwerten lässt sich anhand des Wertes des Gebäudes abschätzen.

In volkwirtschaftlichen Betrachtungen werden auch Personenschäden beziffert. Dabei wird jedoch nicht der Wert eines Menschenlebens in Zahlen angegeben, sondern es werden die Kosten für die Massnahmen zur Verhinderung von Personenschäden berechnet. Im Brandschutz wird diese Art der Berechnung nicht angewandt, für Personen wird immer ein bestimmtes Sicherheitsniveau verlangt.

Ist das Risiko quantifiziert, lässt sich abschätzen, welche Investitionen in den Brandschutz aus Sicht des Kosten-Nutzen-Verhältnisses Sinn machen.

 

Ein einfaches Beispiel für die Berechnung des Risikos

Das folgende Beispiel zeigt die grundsätzliche Methode, wie Risiken berechnet werden können. Das Beispiel ist fiktiv, stark vereinfacht und berücksichtigt ausschliesslich Sachschäden. In der Praxis fliessen zahlreiche weitere Betrachtungen in die Rechnung ein.

Im fiktiven Beispiel geht es um ein Lager in einem Gebäude, dessen Wert sich auf 2 Millionen Franken beläuft. Für die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Brandes wird ein Wert von 1/200 pro Jahr angenommen. Geht man davon aus, dass bei einem Brand das gesamte Gebäude zerstört wird, beläuft sich der Schaden auf 2 Millionen Franken. Das finanzielle Risiko beträgt also 1/200 pro Jahr * 2 Mio. Fr. = 10 000 Franken pro Jahr. Dies ist der Maximalbetrag pro Jahr, der in Brandschutz investiert werden kann, damit das Verhältnis von Kosten und Nutzen gegeben ist.

Die Bauherrschaft fragt sich nun, ob es Sinn macht, eine Inertgas-Löschanlage zu installieren. Der Einfachheit halber wird davon ausgegangen, dass die Anlage sämtliche Brände sofort löscht und dass dadurch in keinem Fall ein Schaden entsteht. Für die Lebensdauer der Inertgas-Löschanlage werden 15 Jahre angenommen. 

Damit ist die Rechnung einfach: Wenn die Kosten für die Anlage inkl. Wartung und Unterhalt 150'000 Franken (Maximalbetrag für ein stimmiges Kosten-Nutzen-Verhältnis pro Jahr x Lebensdauer) nicht überschreiten, ist die Investition aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll.

Risikobasierter Brandschutz in der Praxis

Risikobasierter Brandschutz wird heute in der Praxis betrieben, z.B. im Bestandesbau: Wenn in einem bestehenden Gebäude der Fluchtweg 36 m anstatt 35 m beträgt und keine zusätzlichen Risiken vorhanden sind, kann die Behörde dies akzeptieren. Sie beurteilt in solchen Fällen, ob die Risiken für die Personen tragbar sind.

 

Risikoorientierter Ansatz am Beispiel der Berner Altstadt

Die untere Altstadt in Bern ist Teil des UNESCO-Weltkulturerbes. Wenn sich dort ein Brand ereignet, ist der Schaden erheblich. Die Gebäude sind eng aneinandergebaut und enthalten mit den historischen Holzbauteilen umfangreiche Brandlasten. Dies führt zu einem beträchtlichen Risiko.

Massnahmen nach dem Standardkonzept umzusetzen, ist schwierig und mit dem Denkmalschutz kaum zu vereinen. Heute ist CasaSegura im Quartier installiert, eine Lösung, die in den Brandschutzvorschriften nicht vorgesehen ist: In den Gebäuden sind spezielle, drahtlose Rauchmelder angebracht, die über das Internet bei einem Brand automatisch die Feuerwehr alarmieren. Die Bewohner haben via Smartphone Zugang zum System und können Fehlalarme quittieren.

Das Sicherheitsniveau in der unteren Berner Altstadt ist mit CasaSegura massgeblich gestiegen – ohne Eingriffe in die Gebäude, die aus Sicht des Denkmalschutzes problematisch wären.

 

Aus CasaSegura ist das System Segura360 entstanden. Weitere Informationen gibt das Fachthema «Segura360 – Rauchmelder geben Sicherheit».

Risikoorientiert oder risikobasiert?

Die beiden Begriffe sind nicht eindeutig definiert.

Wir verwenden «risikoorientiert», wenn die Risiken beim Festlegen von Massnahmen oder Anforderungen neben anderen Aspekten auch berücksichtigt werden, je nach Fall mehr oder weniger.

Unter «risikobasiert» verstehen wir die Betrachtungsweise, bei der Massnahmen und Anforderungen in erster Priorität aufgrund der Risikobetrachtung festgelegt werden. Die Risiken fliessen nicht nur in die Betrachtung ein, sondern sind deren Grundlagen.

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