Flucht- und Rettungswege
Fluchtwege sind immer auch Rettungswege. Sie sind so anzulegen und auszuführen, dass sie jederzeit rasch und sicher benutzbar sind.
In Flucht- und Rettungswegen dürfen keine Dekorationen angebracht werden.
Vorhänge, Dekorationen und dergleichen dürfen die Wirksamkeit der Sicherheitseinrichtungen (Rettungszeichen, Sicherheitsbeleuchtung, Löscheinrichtungen, Fluchtwege usw.) nicht beeinträchtigen.
Auf Fluchtwegen dürfen keine haustechnischen Anlagen wie Heizungs- oder Lüftungsanlagen aufgestellt werden.
Bei grossen Sportveranstaltungen oder Konzerten im Freien kann der Veranstalter im Rahmen des Sicherheitskonzepts vorschlagen, die Ausgestaltung der Fluchtwege entsprechend der Norm SN EN 13200-1 Zuschaueranlagen – Teil 1 der SIA vorzunehmen.
Die Norm legt die Kriterien für die Bemessung und den Ausbau der Fluchtwege fest und stellt teilweise geringere Anforderungen als die Brandschutznorm und die Brandschutzrichtlinien der VKF.
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Beantworten Sie zwei bis drei Fragen, wir berechnen die geforderte Breite und die Anzahl von Ausgängen aus dem Gebäude und aus Zuschaueranlagen (Tribünen, Podeste und Galerien).
Falls Sie die Anzahl der Ausgänge und die Breite von Fluchtwegen selbst bestimmen möchen, finden Sie die nötigen Angaben dazu im Folgenden.
Ausgänge
Die Türen müssen sich jederzeit rasch und ohne Hilfsmittel in Fluchtrichtung öffnen lassen.
Aus einem Raum, in dem sich mehr als 100 Personen aufhalten können, sind zwei voneinander unabhängige Fluchtwege nötig.
Berechnung der Anzahl und Breite der Ausgänge
Massgebend ist die Personenbelegung. Diese wird gemäss folgender Tabelle festgelegt.
Zweckbestimmung / Nutzung | Anzahl Personen pro m² |
Disco, Konzerte, Festivals usw. (ohne Bestuhlung) | 4 (massgebend für die Berechnung ist die Nettofläche, die Besuchern zur Verfügung steht.) |
Tribünen-Stehplatzbereiche | 5 |
Wartezonen vor Kassen | 4 |
Anzahl und Breite der Ausgänge
Anzahl Personen | Anzahl Ausgänge und Breite |
bis 50 Personen | 1 Ausgang, 0,9 m breit |
50 bis 100 Personen | 2 Ausgänge, je 0,9 m breit |
100 bis 200 Personen | 3 Ausgänge, je 0,9 m breit oder 1 Ausgang, 0,9 m breit und 1 Ausgang 1,2 m breit |
über 200 Personen: | mindestens 2 Ausgänge, je 1,2 m breit
Beispiel: Ist die geforderte minimale Ausgangsbreite 3,6 m, sind folgende Varianten möglich
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Breite und Anzahl Ausgänge Zuschaueranlagen (Tribünen, Podeste und Galerien)
Die geforderte Ausgangsbreite (Summe der Breite aller Ausgänge) hängt von der Personenbelegung ab.
Beispiel: Ist die geforderte minimale Ausgangsbreite 3,6 m, sind folgende Varianten möglich:
- 3 Ausgänge à 1,2 m
- 1 Ausgang 1,2 m und 1 Ausgang 2,4 m
Ein einzelner Ausgang muss mindestens 1,2 m breit sein.
Türen und Schiebetüren
Die lichte Durchgangsbreite von Türen muss mindestens 90 cm betragen. Türen zu untergeordneten Räumen, z. B. Putzräumen oder Sanitärräumen, dürfen schmaler sein.
Türen müssen sich in Fluchtrichtung öffnen lassen. Ausgenommen sind Türen zu Räumen, die mit weniger als 20 Personen belegt sind.
Türen in Rettungswegen müssen von den Einsatzkräften von aussen geöffnet werden können.
Kipp-, Hub-, Roll-, Schnelllauf- und Schiebetore sowie Drehtüren sind nur zulässig, wenn sie Türen enthalten, die sich in Fluchtrichtung öffnen lassen, oder wenn zusätzliche solche Türen vorhanden sind.
Automatische Schiebetüren
Automatische Schiebetüren, die gleichzeitig als Brandabschluss und Fluchttüre dienen, müssen in der Regel als geprüfte Konstruktionen mit eingebauter Flügeltüre ausgeführt werden.
Sind Schiebetüren in Fluchtwegen zulässig, müssen sie mit einer Brandfallsteuerung versehen sein (angesteuert über eine Brandmeldeanlage bzw. über Einzelrauchmelder). Die Steuerung muss die Öffnungsautomatik (z. B. Sensor) übersteuern. Der Abschluss muss zudem mit einer elektrisch gesteuerten Absicherung nach SN EN 13637 versehen sein.
Als Alternativen können zwei Türen neben- oder hintereinander angeordnet werden:
- Die Schiebetüre mit Feuerwiderstand schliesst bei Stromausfall und im Brandfall automatisch. Eine feuerwiderstandsfähige Flügeltüre daneben gewährleistet den Fluchtweg.
- Die Schiebetüre ohne Feuerwiderstand öffnet bei Stromausfall und im Brandfall selbsttätig. Vor oder hinter der Schiebetüre ist eine Flügeltüre, die in diesen Fällen selbsttätig schliesst.
Schliess-Systeme
Bei Türen in Fluchtwegen, die abgeschlossen werden, müssen Schliess-Systeme nach SN EN 179 oder SN EN 1125 eingesetzt werden.
Ausgenommen sind Türen zu Räumen, die nur einen Ausgang haben. Beispiele sind Büros, Lager, Technik- oder Kellerräume.
Notausgangsverschlüsse oder Paniktürverschlüsse?
Massgebend ist, ob eine Paniksituation erwartet werden muss. Dies hängt von verschiedenen Faktoren ab. Ein Anhaltspunkt gibt die Personenbelegung. Ist sie kleiner als 2 Personen/m² ist in der Regel keine Paniksituation zu erwarten.
Falls eine Paniksituation erwartet werden muss, sind Paniktürverschlüsse gefordert. Ansonsten reichen Notausgangsverschlüsse aus.
Distanz von Fluchtwegen
Die Fluchtwegdistanz bis zu einer Evakuationsöffnung, einem Treppenhaus oder bis ins Freie beträgt maximal 35 m.
In Zuschaueranlagen darf die Fluchtwegdistanz bis zu einer Evakuationsöffnung oder bis ins Freie maximal 45 m betragen.
Bei Sitzplätzen gilt die effektive Gehweglänge, bei Stehplätzen wird diese diagonal gemessen.
Messweise der Fluchtwegdistanz
Fluchtweglänge bis zum Erreichen eines Ausganges max. 35 m
Fluchtwegbreite von Tribünen
Als minimale Fluchtwegbreite von Tribünen (Abgänge, Notausgänge oder Fluchtwege unter Tribünen) gilt:
- mindestens 0,6 m pro 100 Personen im Erdgeschoss
- mindestens 0,9 m pro 100 Personen im Obergeschoss
Personen, die sich in abgezäunten Bereichen – innerhalb und ausserhalb von Räumen und Zelten – aufhalten, müssen in Abschrankungen oder eingezäunte Bereiche flüchten können.
Treppen
Fluchttreppen sind geradläufig mit einem Trittverhältnis von 63 bis 65 cm (zweimal das Mass Steigung und einmal das Mass Auftritt) anzuordnen. Sie können aus Holz erstellt werden.
Treppenabgänge aus Notausgängen sind seitlich sicher abzugrenzen.
Baustoffe
Anforderungen: Bauliches Konzept und Löschanlagenkonzept
- In horizontalen und vertikalen Fluchtwegen sind grundsätzlich Baustoffe der Brandverhaltensgruppe RF1 gefordert.
- Bei Wand- und Deckenverkleidungen in horizontalen Fluchtwegen sind Baustoffe der Kategorie RF3 zugelassen, wenn sie auf der Sichtseite des Raumes mit einer Brandschutzplatte mit 30 Minuten Feuerwiderstand aus Baustoffen der Kategorie RF1 bekleidet sind.
- Dämm- und Zwischenschichten in Treppenhäusern müssen aus Baustoffen der Kategorie RF1 bestehen. Einzelne lineare Bauteile RF3 sind in Treppenhäusern zugelassen.
- Baustoffe RF2 sind in horizontalen Fluchtwegen als Wand- und Deckenbekleidungen zulässig.
- Dämm- und Zwischenschichten dürfen aus Baustoffen RF3 bestehen.
Holz und andere brennbare Baustoffe
In Fluchtwegen sind brennbare Baustoffe in geringen Anteilen erlaubt (z. B. Flächenleuchten, Pinnwände, Bekleidungen, Geländerfüllungen oder Schallschutzelemente).
Maximal erlaubter Flächenanteil von brennbaren Baustoffen:
- pro Geschoss in vertikalen Fluchtwegen: 10 % der Treppenhausgrundfläche
- in horizontalen Fluchtwegen: 10 % der Grundfläche des betrachteten horizontalen Fluchtweges.
Die Flächen dürfen maximal 2 m² gross sein und müssen voneinander einen Sicherheitsabstand von mindestens 2 m aufweisen. Hölzerne Türen, Fenster und Handläufe sowie einzelne sichtbare Holzbalken sind erlaubt und werden bei dieser Berechnung nicht berücksichtigt.
Treppen und Podeste dürfen mit brennbaren Baustoffen (RF2) gebaut werden.
Schaltgerätekombinationen
Anforderungen und Kontrollen
Für Schaltgerätekombinationen (SK) in Fluchtwegen gelten besondere Brandschutzanforderungen.
Ausnahmen sind Korridore innerhalb von Nutzungseinheiten, zum Beispiel bei Wohnungen. Dort müssen für Schaltgerätekombinationen (SK) keine speziellen Brandschutzmassnahmen umgesetzt werden.
Die folgenden Bestimmungen gelten für den Kanton Bern.
Neubauten, umfassende Umbauten oder Umnutzungen
Im Treppenhaus (vertikaler Fluchtweg) sind die Anforderungen abhängig von der Grösse der Front des Gehäuses:
- Bei einer Front bis 1,5 m² muss das Gehäuse der SK die Schutzart IP 4X erfüllen (siehe Norm DIN EN 60529), aus Baustoffen der Brandverhaltensgruppe Kategorie RF1 bestehen und den Feuerwiderstand EI 30 aufweisen. Kabelverschraubungen dürfen mit Baustoffen der Brandverhaltensgruppe Kategorie RF3 (cr) abgedichtet werden.
- Ist die Front grösser als 1,5 m², muss eine SK mit einem VKF-anerkannten Brandschutzabschluss mit Feuerwiderstand EI 30 aus Baustoffen der Brandverhaltensgruppe Kategorie RF1 abgetrennt werden.
- Wenn sich die SK in einem geprüften Gehäuse mit Schutzart IP 5X oder höher befindet, ist kein zusätzlicher Brandschutzabschluss nötig. Voraussetzung ist, dass das Gehäuse den Feuerwiderstand EI 30 aufweist und aus Baustoffen der Brandverhaltensgruppe Kategorie RF1 besteht. Dies gilt unabhängig von der Grösse des Gehäuses.
In horizontalen Fluchtwegen, die von den vertikalen Fluchtwegen mit einem Brandabschluss abgetrennt sind, müssen SK in Gehäuse der Schutzart IP 4X aus Baustoffen der Brandverhaltensgruppe Kategorie RF1 eingebaut werden.
Kabelverschraubungen dürfen mit Baustoffen der Brandverhaltensgruppe Kategorie RF3 abgedichtet werden.
Kabel
- In horizontalen Fluchtwegen ist eine maximale Brandbelastung aufgrund der Kabel von 200 MJ/Laufmeter zulässig. Eine Brandbelastung von 200 MJ/Laufmeter ergibt sich z.B. bei 60 bis 70 Elektrokabel (4 x 1.5 mm² oder 3 x 1.5 mm²). Örtlich sind höhere Werte zulässig.
- Die Brandschutzbehörde kann Nachweise für die Berechnung der Brandbelastung verlangen.
- Kabel mit kritischen Verhalten (cr) dürfen nicht eingesetzt werden.
Kontrolliert werden diese Brandschutzmassnahmen von der Brandschutzbehörde (im Kanton Bern Brandschutzexperte der GVB oder Feueraufseher der Gemeinde).
Kleine Umbauten, bei denen die SK unverändert bleiben
Beim Umbau sind keine speziellen Massnahmen nötig. Bei der periodischen Elektrokontrolle kann jedoch das unabhängige Kontrollorgan (Elektrokontrolleur) zusätzliche Brandschutzmassnahmen fordern.
Kontrolliert werden diese Brandschutzmassnahmen durch den Elektrokontrolleur.
Ersatz oder Erweiterung der SK
Für ein neues Gehäuse sind Baustoffe der Brandverhaltensgruppe Kategorie RF1 gefordert.
Ein bestehendes Gehäuse aus brennbaren Baustoffen muss mindestens innen mit Baustoffen der Brandverhaltensgruppe Kategorie RF1 wärmeisolierend ausgekleidet werden, zum Beispiel mit Brandschutzplatten BSP 30 (Brandverhaltensgruppe Kategorie RF1).
Kontrolliert werden diese Massnahmen von einem unabhängigen Kontrollorgan (Elektrokontrolleur).
Fluchtwegmarkierung und Sicherheitsbeleuchtung
Fluchtwege und Ausgänge sind zu markieren.
Beleuchtete Markierungen und Richtungsweiser sind vorgeschrieben:
- in Gebäuden ab 300 Personen und grundsätzlich in Untergeschossen ohne Tageslicht
- bei Tribünen in Räumen ab 300 Personen
- bei Tribünen im Freien, wenn die Veranstaltung abends oder nachts stattfindet
Eine Sicherheitsbeleuchtung ist erforderlich:
- entlang von Fluchtwegen in Untergeschossen ohne Tageslicht
- entlang von Fluchtwegen und in Räumen in allen übrigen Geschossen bei einer Belegung ab 300 Personen
- entlang von Fluchtwegen von Tribünen im Freien, wenn die Veranstaltung abends oder nachts stattfindet
Als Sicherheitsbeleuchtung können Einzelleuchten mit Akkus oder Leuchten mit zwei voneinander unabhängigen Stromversorgungen (Netzeinspeisung und Notstromaggregat oder zentrale Akku-Versorgung) installiert werden.
Rettungszeichen und Sicherheitsbeleuchtung richtig anbringen
Ausgänge, die nicht sofort als solche erkennbar sind oder nur in Notfällen benutzt werden, müssen klar gekennzeichnet sein.
Richtungsanzeiger sind gefordert, wenn:
- die Fluchtrichtung nicht sofort ersichtlich ist,
- sich Personen aufhalten, die mit den örtlichen Verhältnissen nicht vertraut sind.
Informationen dazu finden Sie im Abschnitt «So müssen Rettungszeichen gestaltet sein».
Dekorationen oder andere Einrichtungen dürfen die Sicht auf die Rettungszeichen nicht behindern.
Andere Zeichen oder Beschriftungen und Spiegel dürfen nicht ablenken oder zu Verwechslungen führen.
Die Rettungszeichen zur Kennzeichnung von Fluchtwegen und Ausgängen müssen quer zur Fluchtrichtung auf Türsturzhöhe angebracht sein.
Beispiel Notausgangstüre
Anforderungen an die Sicherheitsbeleuchtung
Das Wichtigste in Kürze:
- Die Sicherheitsbeleuchtung leuchtet die Bodenzone und den Weg ins Freie aus (minimale Beleuchtungsstärke 1 Lux)
- Leuchten in Bodennähe müssen bruchfest sein
- Bei Stromausfall muss die Sicherheitsbeleuchtung rechtzeitig einschalten und mindestens 30 Minuten lang leuchten
- Tragbare Sicherheitsleuchten sind nur in Räumen erlaubt, in denen sich ausschliesslich Betreuungspersonen aufhalten
- Die Sicherheitsbeleuchtungen dürfen nicht mit einem Hauptschalter oder einem Schalter der normalen Raumbeleuchtung ausgeschaltet werden können
Detaillierte Informationen finden Sie im Fachthema «Sicherheitsbeleuchtung und Rettungszeichen».
So müssen Rettungszeichen gestaltet sein
Die Pfeilrichtung zeigt dem Flüchtenden die Fluchtrichtung an. Die Personen müssen sich auf eine unmittelbare, korrekte Richtungsangabe verlassen können. Grundsätzlich darf eine Richtungsangabe nie im Voraus angegeben werden. Hinweise wie «Hinter der Türe geht es abwärts» sind nicht zulässig. Es muss immer die unmittelbare Situation gekennzeichnet werden.
Damit Rettungszeichen sprachunabhängig und weltweit einheitlich sind, sollten Textschilder wie «EXIT», «NOTAUSGANG» und «SORTIE SECOURS» nicht mehr eingesetzt werden. Ausnahmen müssen durch die zuständige Behörde bewilligt werden.
Innerhalb eines Gebäudes müssen die Rettungszeichen einheitlich sein.
Gültige Symbole
International genormte und registrierte Rettungszeichen sind in der Norm SN EN ISO 7010 enthalten.
Weitere Informationen
Fachthema Flucht- und Rettungswege
Brandschutzrichtlinie 17-15 «Kennzeichnung von Fluchtwegen, Sicherheitsbeleuchtung, Sicherheitsstromversorgung» der VKF